(Auszug eines Artikels von Stud. jur. Hans Michael Hajek, Maturajahrgang 1961/62, im Jahresbericht 1965/66)
Erstmals gelangte heuer eine griechische Trilogie zur Aufführung: die „Orestie" des Aischylos, das bisher größte und schwierigste Vorhaben in der Theatertradition unserer Schule. Das Werk des Dichters, das 3796 Verse umfasst, musste vor allem in seinem umfangreichsten Teil, dem 1673 Verse zählenden „Agamemnon", aber auch im „Totenopfer“, stark gekürzt werden, um die Aufführung an einem Abend möglich zu machen. Ein so großes Werk konnte natürlich nicht auf dem Podium des Vortragssaales aufgeführt werden. Vielmehr musste man dieses zu einer richtigen Bühne erweitern, die vor allem im Vordergrund eine sinnvolle Gliederung der Chöre ermöglicht, während der Hintergrund für ein weiträumiges Agieren der Schauspieler und Choristen Raum bietet. Durch die Zweiteilung der Vorderbühne wurde gleichzeitig ein weiterer Bühnenaufgang geschaffen. Als Beleuchtungsanlage dienten eine in der Mitte der Bühne angebrachte Flächenbeleuchtung und vier feststehende Scheinwerfer; dazu kamen drei Standscheinwerfer auf Stativen, die eine variationsfähige, immer dem Stück folgende Bühnenbeleuchtung ermöglichten, die von einem Transformator aus bedient wurde. Auch die Saalbeleuchtung kann nunmehr stufenlos bis zum hellsten Licht erstrahlen bzw. ins tiefste Dunkel verdämmern.
Die Kostüme wurden, wie immer, von Frau Prof. Erna Kunschak mit viel Geschmack, Liebe und Einfühlungsvermögen entworfen und stilvoll ausgeführt. Ich glaube, jedes Dankeswort muss angesichts der gewaltigen Zahl von über hundert fertiggestellten Kostümen leer klingen. Für das Bühnenbild und die Bühnenbauten zeichnete Dipl. Arch. Prof. Franz Hrdy. Gewaltige Zyklopenmauern, geschickt angebrachte Fotomontagen und zu Podien erweiterte Stufenbauten gaben der Bühne die notwendige Tiefe. Äußerst wirkungsvoll war das Tor des Palastes von Argos: in matter Goldbronze gehalten, wurde es durch gezielte Beleuchtung oftmals zum schicksalsträchtigen Mittelpunkt des Geschehens.
Die Requisiten wurden von Akad. Maler Prof. Leopold Pfeffer entworfen und hergestellt. Besondere Begeisterung erweckten seine modellgetreu verfertigten Krüge und Vasen, die sich stilgerecht in die Gesamtatmosphäre fügten.
Die Musik hatte diesmal zwei Funktionen zu erfüllen: einerseits sollte sie das chorische Geschehen lenken und begleiten, andererseits musste sie an verschiedenen Stellen, an denen auf der Bühne nur langsam durchzuführende Veränderungen erfolgten, untermalen und den Zuschauer in der durch die Handlung gegebenen Stimmung halten. Diese ungemein schwierige Aufgabe löste Helmut Deutsch (Maturajahrgang 1962/63) in einwandfreier Weise.
Der Musik folgte die Choreographie unserer „Nisi" (Liliana Nisielska, 8a). Was sie an packenden Bewegungen mit dem Chor der Eumeniden einstudierte, wird uns allen unvergesslich bleiben. Die rasende Wut, das ekstatische Stampfen, den geifernden Rachedurst, grausame Verfolgung und hymnischen Gleichklang vermochte sie in Bewegung umzusetzen - eine Bewegung, die Schauspieler und Publikum in Atem hielt.
Die Organisation war in die bewährten Hände des Prof. Franz Hofreiter gelegt worden. Er führte mit rastlosem Einsatz alle diejenigen Arbeiten durch, ohne die - obgleich sie für den Unbeteiligten nicht ersichtlich sind - die Aufführung nicht gelingen könnte. Theaterkarten, Programme, Garderobe, Finanzgebarung, Absperrungsmaßnahmen, all dies wurde von ihm und seinen unermüdlichen Helfern besorgt.
Für das leibliche Wohl unserer Gäste sorgte Frau Prof. Katharina Heberl. Sie leitete das Buffet, das allen Anforderungen gerecht wurde.
Das theatergerechte Schminken besorgten Frau Prof. Erna Kunschak und Frau Prof. Dr. Christiana Adler zusammen mit Barbara Malinowski (7a) und anderen eifrigen Gehilfinnen und Gehilfen.
Als gute, treue Seele erwies sich überall im Haus und allen gegenüber unsere Frau Rosalia Reischenbacher, der wir für die Mühe und Sorge um unser Wohl herzlich danken.
Über allem, die Fäden des Einsatzes fest in der Hand haltend, stand acht Monate lang Prof. Dr. Wolfgang Wolfring, der Regisseur unserer Aufführung. Ohne ihn, ohne seine Persönlichkeit wäre nichts gelungen. Unermüdlich kämpfte er gegen alle Schwierigkeiten, zäh überwand er alle Widerstände und, rücksichtslos gegen sich und die Mitwirkenden, verlangte er allen das Letzte ab. Seine Regie bemühte sich um jeden Vers, um jede kleine Nuance, er folgte dem antiken Dichter über Höhen und Abgründe der Trilogie und formte die Schauspieler in härtester Probenarbeit zu einem echten Theaterensemble. Um hohe Sprach- und Sprechkultur bemüht, gelangten drei Chöre zu eindrucksvoller Präzision in Wort und Bewegung. Erstmals wirkten bei dieser Aufführung auch Absolventen unserer Schule mit, denen die tragenden Rollen anvertraut waren, während die Chöre von Schülern gebildet wurden. Hier muss die künstlerische Leistung von Fräulein Gudrun Geier (Maturajahrgang 1957/58) besonders hervorgehoben werden. Obwohl von ihrer Tätigkeit als Berufsschauspielerin stark in Anspruch genommen, fand sie immer wieder Zeit, in vielfältiger Weise unserem Unternehmen zur Verfügung zu stehen. Sie hat dadurch gleich den anderen Mitwirkenden aus dem Kreise ehemaliger Schüler das für uns so wesentliche Erlebnis deutlich gemacht: den guten Geist des Akademischen Gymnasiums, der in der echten Gemeinschaft aller Schüler, über die Generationen hinaus, besteht.
Nicht vergessen sollen die zahlreichen Statisten bleiben und alle jene, die im Hintergrund wirkten, wie die beiden Tonmeister Walter Reichelt und Georg Vobruba (7a), die Beleuchter Walter Guth und Christian Haun (8b) und das Inspiziententeam unter Michael Nebehay (5b).
Ich möchte nicht in den Verdacht geraten, hier mit hohlem Pathos Lobreden auf alles anzustimmen, weil ich als ehemaliger Schüler des Akademischen Gymnasiums dieser Schule gegenüber kritiklos geworden wäre. Ich wollte lediglich versuchen, den Geist dieses Unternehmens aufzuzeigen. Wären nicht alle Mitwirkenden von idealistischer Gesinnung erfüllt gewesen, getragen von wahrer Liebe zu unserem Beginnen, niemals hätte ein solcher Erfolg zustande kommen können.
Die „Orestie" erlebte elf Aufführungen. Der Prorektor der Wiener Universität, Seine Magnifizenz Dr. Albin Lesky, hielt bei der Festaufführung einen packenden Einführungsvortrag. Unter den Ehrengästen zeichnete uns auch der Bundesminister für Unterricht, Dr. Piffl-Percevic, durch seinen Besuch aus. Zahlreiche Vertreter von Wissenschaft und Kunst, die aufzuzählen hier nicht Raum bleibt, wohnten unseren Aufführungen bei. Sie alle fanden ehrliche Worte des Lobes.
Darüber hinaus nahm auch die Presse in Reportagen und Kritiken Notiz von unserem Theaterereignis. Die größten österreichischen Tageszeitungen brachten begeisterte Stellungnahmen ihrer Kritiker. Dies freut uns besonders: wird doch immer behauptet, man könne Laienspielen und schon gar nicht einem Schultheater theaterkritisch gegenüberstehen.
Auch das Fernsehen hatte Interesse gezeigt und brachte am Abend vor der öffentlichen Generalprobe in einer seiner aktuellen Sendungen ein Interview mit Prof. Dr. Wolfring und Szenen aus dem Geschehen der Eumeniden. Der Österreichische Rundfunk nahm die wichtigsten Szenen für eine Schulfunksendung auf. Auch ein Film wurde gedreht, um uns die „Orestie" über die Theateraufführungen hinaus lebendig zu erhalten.
So haben wir Großes begonnen und zu einem guten Ende gebracht. Wir danken Direktor Dr. Erwin Schmidt für sein Entgegenkommen und Verständnis. Wir danken Prof. Dr. Wolfring, dass er es unternahm, uns zu führen.